Wissenschaft und Praxis kennen hunderte verschiedene Ängste. Eine davon ist die sogenannte Methatesiophobie - also die Angst vor Erfolg. Ja, Sie haben richtig gelesen: Das, wonach sich die meisten Menschen sehnen, kann auch Angst auslösen. Genau genommen ist es die Angst vor den Veränderungen, die mit Erfolg einhergeht. Doch ist das Vermeiden von Erfolg eine Lösung?
Erfolg hat Nebenwirkungen. Er lässt uns nicht nur die Sonnenseiten des Lebens genießen, sondern zeigt uns auch seine Schattenseiten. Verantwortung, Erwartungen und Druck nehmen zu, die Dauerbeobachtung zehrt an den Nerven und Neider/innen kritisieren jedes noch so noble Verhalten. Und wer glaubt, der Weg zur Spitze sei hart, wird beim tatsächlichen Erreichen schnell feststellen, dass der Verbleib noch härter ist. Die Anzahl jener, die am Sessel sägen steigt, die Fallhöhe wird größer und die Angst vor dem Scheitern wächst. Erfolg gibt es tatsächlich nur mit - mehr oder weniger unangenehmen - Begleiterscheinungen. Doch deshalb darauf verzichten?
Erfolg bedeutet für jede/n etwas anderes und kann daher nicht objektiv gemessen werden. Wir erleben das berauschende Erfolgsgefühl, wenn wir uns selbst besiegen, unsere Ziele erreichen oder es uns sogar zeitweise gelingt, ein Leben ganz nach unseren Vorstellungen zu leben. Erfolg ist die Würze des Seins, aber auch höchst zerbrechlich. Doch zu scheitern ist keine Schande. Ich gehe sogar soweit und behaupte: Erfolgreiche Menschen scheitern öfter, weil sie mehr Gelegenheiten zum Scheitern haben. Sie suchen sich immer wieder neue Projekte, ruhen sich nicht auf Erreichtem aus und packen dort an, wo andere erst einmal reden. Dass die eine oder andere Unternehmung schief geht, liegt in der Natur der Sache. Doch die Angst vor negativen Konsequenzen sollte dem gegenwärtigen Handeln niemals im Wege stehen. Etwas aus tiefster Überzeugung abzulehnen stärkt uns, es aus Angst vor dem Ungewissen zu tun, macht uns zu Getriebenen. Daher ist eines für den Erfolg so essenziell wie für das Leben selbst: Wir müssen einen Weg finden, um mit Veränderungen umzugehen. Denn Veränderungen geschehen mit und ohne unsere Zustimmung.
Impulse gegen die Angst vor Veränderungen
Annehmen statt bekämpfen
Um der Angst vor Veränderung den Schrecken zu nehmen, lohnt es sich, sie zunächst anzunehmen. Hören Sie genau hin. Was will mir die Angst sagen? Was darf sich nicht verändern? Warum darf es sich nicht verändern? Und was kann ich tun, um mit der Veränderung umzugehen? Bleiben Sie neugierig und offen für den Kern Ihrer Nachforschungen. Wenn Sie Ihre Ängste in einem ersten Schritt annehmen statt zu bekämpfen, wechseln Sie die Perspektive und können auf diese Weise Ihre Energie für Lösungen statt für den Kampf bündeln.
Diffuse Ängste konkretisieren
Ein diffuses, nicht fassbares Gefühl der Angst bereitet uns meist größere Sorgen als es konkrete Herausforderungen jemals könnten. Allein das Wort Veränderung erzeugt in vielen Druck und Angst, obwohl es durchaus positiv verstanden werden kann. Veränderungen lassen schließlich auch unangenehme Zustände vergehen. Benennen Sie die Einzelheiten Ihrer Angst vor Veränderungen. Wovor fürchte ich mich? Wie viel davon ist begründet und wo beginnt meine Vorstellungskraft auszuufern? Stellen Sie sich die möglichen Konsequenzen detailliert vor. Wie fühlen sie sich an? Zeichnen Sie ein Best-Case- und ein Worst-Case-Szenario und prüfen Sie, wie wahrscheinlich diese eintreten werden beziehungsweise welche Ideen Sie heute schon haben, um gegebenenfalls neue Wege zu gehen.
Garantien
Der Umgang mit Unsicherheiten ist ein zentrales Thema im Leben. Wir hätten gerne für all unsere Entscheidungen eine Versicherung, die uns im Falle des Scheiterns rettet. Oder noch besser: eine Garantie auf Erfolg. Machen Sie sich bewusst, welche Garantien Sie haben. Unglücklicherweise gibt es tatsächlich keine Garantien im Leben. Genau genommen müssen wir bei all unseren Unternehmungen etwas riskieren und dann darauf vertrauen, dass es - egal wie es ausgeht - neue Perspektiven geben wird.
Entscheidungen treffen
Jeder Wandel fängt mit einer getroffenen Entscheidung an und jede unfreiwillige Veränderung braucht Entscheidungen. Grundsätzlich gilt: Getroffene Entscheidungen verleihen Selbstbewusstsein und Stärke. Veränderungen geschehen mit und ohne unser Zutun. Wenn Sie sich nicht verändern, werden Sie irgendwann verändert. Entscheiden Sie sich im Zweifelsfall bewusst für das Treffen eigener Entscheidungen. Zu warten bis unsere Mitmenschen oder die Umstände uns verändern birgt das Risiko, mit Gegebenheiten leben zu müssen, die uns noch unangenehmer als die Veränderung selbst sind.
Fokus auf Chancen
Auch wenn es entwicklungsgeschichtlich Sinn macht, sich stärker auf mögliche Risiken zu konzentrieren - konnten sie in der Urzeit doch über Leben und Tod entscheiden - lohnt sich der Blick auf Chancen. Erfolg hat viele Vorteile. Er lässt uns selbstbewusster werden, neue Ziele in Angriff nehmen und vor allem das Vertrauen in unsere eigene Wirksamkeit steigern. Wenn nicht wir an uns glauben, wer dann? Und wenn nicht wir davon überzeugt sind, Ziele zu erreichen, wer sonst? Erkennen Sie die Möglichkeiten, die Erfolg mit sich bringt. Freuen Sie sich auf die Gelegenheiten, die sich ergeben und genießen Sie das Bad in der Sonne.
Immer wieder üben
Ängste verschwinden nicht, wenn wir uns nur genug "zusammenreißen". Das sprichwörtliche "Atem anhalten" mag in einer Notsituation helfen, die Angst vor Veränderungen besiegt es jedoch nicht. Setzen Sie an einem anderen Punkt an. Und zwar an der Gelegenheit zur Übung. Veränderungen geschehen tagtäglich, verstehen Sie die kleinen Herausforderungen als Übungsgelegenheiten. Je mehr Veränderungen Sie annehmen oder überwinden, umso stärker wird Ihr Selbstbewusstsein. Und je stärker das Selbstbewusstsein, umso größer wird das Vertrauen in Ihr "zukünftiges Ich", das mit den tatsächlichen Veränderungen umgehen muss.
Nachfragen
Da das Leben per se Veränderung bedeutet, sind Sie umgeben von Menschen, die mit Veränderungen umgehen müssen. Fragen Sie nach den unterschiedlichen Zugängen und Strategien. Erkundigen Sie sich bei jenen, die mit schwierigen Veränderungen zurechtkommen mussten und trotz allem gesteckte Ziele nicht aus den Augen verloren haben. Was macht sie stark? Welche Ängste haben sie? Wie gehen sie mit ihren Bedenken um? Und welchen kleinen Schritt kann ich ihnen gleichtun?
Ängste haben ein gutes Gedächtnis und meist führt der einzige Weg durch sie hindurch. Fangen Sie im Kleinen an, erkennen Sie die Vorteile an Veränderungen und nützen Sie jede Gelegenheit Ihre Flexibilität herauszufordern. Und da es Ihnen ohnehin nicht gelingen wird, die Gegenwart zu konservieren, nützen Sie Ihre Energie um zu üben.
Herzlichst Tamara Nauschnegg
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