Narben sind der Beweis für unsere Stärke

Es gibt kein Leben ohne Narben. Mit jedem Jahr kumulieren körperliche wie seelische Wunden und beeinflussen das weitere Erleben. Während körperliche Narben auf breite Akzeptanz stoßen, führen psychische Wunden meist nicht mehr als ein Schattendasein. Körperliche Wunden sind sichtbar, optisch zu korrigieren und stehen für ein abgeschlossenes Kapitel. Seelische Narben hingegen sind auf den ersten Blick kaum zu erkennen und lösen mit zunehmender Dauer statt Mitgefühl eher Unverständnis aus.

Und doch weiß die Forschung, dass das Weiterleben oft stärker durch seelische Narben als durch körperliche Wunden beeinflusst wird. Der Stachel einer Kränkung kann auch viele Jahre später noch schmerzen bzw. kennt die Heilung seelischer Wunden oft deutlich mehr Rückschläge.

Wechseln wir die Perspektive: Narben sind in beiden Formen ein sicheres Zeichen für Stärke, auch wenn das „Narbengewebe“ sich anders als zuvor anfühlt. Etwas zu „überleben“ oder zu bewältigen fordert auf allen Ebenen. Stolz ist das Mindeste was wir uns schuldig sind. Inneres Wachstum braucht keine Wunden, aber der Prozess der Vernarbung geschieht nie ohne Reifung. Manchmal hängen wir jedoch an der Wunde gedanklich fest und bemerken nicht die Entwicklung. Wir übersehen unsere Ressourcen, die Geduld, die überstandenen Rückschläge und lassen zu, dass die geschlagene Wunde die Gegenwart und die Zukunft trübt. Ich lade heute dazu ein, sich mit Stolz, Anerkennung, Wertschätzung und Liebe zu überschütten. Füllen Sie Ihre inneren Speicher. Das wird nicht nur Balsam für die Seele sein, sondern Ihre Narben pflegen. Das Wesen der Pflege ist die Aufmerksamkeit. Schenken Sie Ihren Narben die Fürsorge, die sie verdienen. Nicht verdrängen, sondern hinsehen. Nicht tolerieren, sondern in Ihre einzigartige Geschichte einarbeiten, um dann erhobenen Hauptes neue Wege zu gehen.

 

Herzlichst, Tamara Nauschnegg

 

P.S.: In meinem Buch „KRÄNKUNGEN - Was sie wert sind und wie wir sie überwinden“ finden Sie eine Vielzahl an Anregungen, um Wunden heilen zu lassen und Narben zu pflegen.

 

 

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